Mut tut gut (Teil 1)

Wer meine Texte und Coachings kennt, hat den Begriff Ermutigung vermutlich schon gehört. Heute schreibe ich darüber, was es damit auf sich hat und warum ist es mir so wichtig ist.

Die ersten Lebensjahre sind prägend
Menschen möchten zu einer Gemeinschaft gehören und sich akzeptiert fühlen. Die erste Gemeinschaft, zu der Kinder gehören möchten, ist ihre Familie. Kleinkinder beobachten genau was Eltern und Geschwister tun und wie diese auf ihr Verhalten reagieren. Auf diese Weise entwickeln sie Strategien, um sich in der Familie zugehörig zu fühlen. Sie bilden ihren Lebensstil aus, der meist unbewusst ist und das ganze Leben wirksam bleibt. Er beinhaltet Werte und Normen, die Ansichten über die Welt und unsere individuellen Vorgehensweisen, das Leben zu meistern. Wurden wir als Kinder ermutigt und fühlten wir uns zugehörig, konnten wir förderliche Strategien entwickeln, wie selbstbewusstes Auftreten, Offenheit neuen Situationen und Menschen gegenüber, positives Denken usw.

Haben wir viele entmutigende Erfahren gemacht, könnten sich hinderliche Lebensstilelemente gebildet haben, die z.B. dazu führen, dass wir vor Konflikten davon laufen, unsere Beziehungen sabotieren und negativ denken. Daher ist es wichtig, Kinder besonders in den ersten prägenden Lebensjahren zu ermutigen. Wie können wir das tun?

Die innere Haltung ist die Basis
Ermutigung ist eine Einstellung, die ausstrahlt: Ich liebe dich, so wie du bist, ich verbringe meine Zeit gern mit dir. Kinder merken genau ob wir es ernst meinen oder nicht.
Entmutigend wirkt die Einstellung: Du nervst. Ich hab keine Zeit für dich oder die Meinung, dass das Kind faul, dumm, ungeschickt ist, mich absichtlich provoziert. Auch diese Haltung spüren Kinder.
Neben der Haltung können wir daran arbeiten, entmutigende Äußerungen und Situationen zu erkennen und zu stoppen:

  • Meckern, nörgeln, kritisieren, den Blick auf Fehler richten schafft keine schöne Atmosphäre. Hier kann es helfen, bei sich selbst zu schauen: Wann beginne ich zu meckern? Bin ich müde oder gestresst? Hungrig? Wenn ich das herausfinde, kann ich vorsorgen. Vielleicht drehe ich eine Runde um den Block und atme tief durch, esse ein Brot und gönne mir noch einen Kaffee, bevor ich die Kinder aus der Schule abhole oder nach der Arbeit das Haus betrete. Je öfter ich bemerke, dass ich gerade nörgele, desto öfter wird es gelingen, es zu stoppen und den Blick bewusst auf das zu richten, was gut geklappt hat. Das kann die Mecker-Falle beenden.
  • Manchmal hören Kinder Zuschreibungen, die ihnen ein negatives Bild von sich vermitteln: Tolpatsch, Heulsuse, Nervensäge, zu wild, zu faul, zu blöd… Hören Kinder diese negativen Etikettierungen häufig, könnten sie sie verinnerlichen: „So bin ich eben.“ Dann verhalten sie sich so, dass sie diese Meinung immer wieder bestätigen. Wir können gegen wirken, indem wir so mit Kindern sprechen, dass sie eine gute Meinung über sich selbst entwickeln können.
  • Vergleiche: „Wenn du dich in Mathe mehr anstrengen würdest, könntest du so gut sein, wie deine Schwester!“ Auch gut gemeinte Vergleiche, wirken entmutigend für das Kind, das schlechter weg kommt. Es hört: „So wie ich bin, bin ich nicht gut genug.“ Bei Geschwistern können Vergleiche außerdem die Rivalität fördern, was einer harmonischen Beziehung wenig zuträglich ist. Es ist sinnvoll, Vergleiche zu vermeiden und die Qualitäten und Interessen jedes einzelnen Kindes zu sehen und anzuerkennen.
  • Halbherzige Anerkennung: „Toll, dass du den Tisch abgeräumt hast, aber nächstes Mal, wische ihn bitte auch ab.“ Beim Kind kommt an: „Egal, was ich tue, es ist nie gut genug.“ und vielleicht hilft es nicht mehr gerne freiwillig mit. Ermutigend wäre es, den geleisteten Beitrag wert zu schätzen und das „aber…“ aus dem Satz zu streichen.
  • Zu viel Mitleid kann entmutigend wirken, wenn bei Kindern das Gefühl entsteht, dass sie klein und hilflos sind und es nie allein schaffen werden. Besser ist, das Kind nach einem Missgeschick zu trösten, ihm Wärme zu schenken und es dann wieder auf die eigenen Beine zu stellen und zu vermitteln: „Du schaffst das!“
  • Verwöhnen. Wenn wir Kindern alles abnehmen, was sie auch selbst können, könnten sie das
  • Gefühl haben, dass wir ihnen nicht zutrauen, dass sie allein dazu in der Lage sind. Auf
  • Eltern-Seite könnte sich Erschöpfung breit machen, weil sie glauben, immer alles für das Kind tun zu müssen. Diesem Kreislauf entkommen wir, wenn wir Kindern mehr Eigenverantwortung geben.
  • Der letzte Punkt betrifft das Loben. Kinder, die viel gelobt werden, gewöhnen sich daran, dass ihre Leistung von anderen bewertet wird. Sie streben danach, diese Anerkennung immer wieder zu erhalten. Bleibt sie aus, sind sie frustriert. Sie könnten auch zu perfektionistisch werden und sich nur noch Dinge zutrauen, die sie zu 100% können, sich aber an nichts heranwagen, was noch nicht so gut gelingt.

Unterschied zwischen Lob und Ermutigung
Loben ist nur möglich, wenn eine Leistung erbracht wird, wenn das Kind die ganze Bahn geschwommen ist. Was tun wir aber, wenn Kinder sich bemühen, ihr Ziel aber (noch) nicht erreichen? Dann können wir sie ermutigen, indem wir ihren Fortschritt aufzeigen, die Anstrengung anerkennen, die Idee wert schätzen. Lob bewertet in gut und schlecht, in richtig und falsch. Ermutigung verzichtet auf Bewertungen, richtet den Blick auf Inhalte. Statt zu sagen: „Das Bild ist hübsch.“ erkläre ich, was mir daran gefällt, z.B. die Farben oder Formen und die Geduld und die Ideen des Kindes. Ermutigung kann ein Kind befähigen, die eigenen Stärken zu erkennen und an sich selbst zu glauben. So kann es Selbstbewusstsein und Resilienz entwickeln, Neues wagen und sich Schwierigkeiten mutig stellen. Mut tut einfach gut.


Im nächsten Heft schreibe ich darüber, wie wir Kinder gezielt ermutigen können.

Jessica Rother