Die Bürgerinitiative klärt auf und ist bereit zu klagen

Die Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck ist bereit gegen den Ausbau der Güterstrecke mitten im Wohngebiet zwischen Hamburg Hasselbrook und Rahlstedt zu klagen.

Die gute Nachricht:
Rahlstedt bekommt die S4, die die unzuverlässige Regionalbahn 81 ersetzen soll. Die Vorteile liegen auf der Hand: engere Taktung, bessere Anbindung an die Hamburger Innenstadt und Altona, Entlastung am Hauptbahnhof, etc. Wir haben ausführlich in Ausgabe 3/2019 darüber berichtet.

Die schlechte Nachricht:
Die Finanzierung der S4 ist gekoppelt an ein Großprojekt des Bundes, das die bestehende Güterstrecke zwischen Skandinavien über Hamburg bis Palermo als Hauptverkehrsachse im Visier hat. Durch diese bestehende Gleisstrecke und der Verknüpfung der Einführung der S4, die im gleichen Gleisbett fahren soll, wurden zwei Bauprojekte miteinander zu einem Finanzierungsprojekt verbunden. Irgendwie pragmatisch, irgendwie verständlich, wahrscheinlich irgendwie finanziell attraktiv, aber leider mit enormen Nebenwirkungen:

  • Vernichtung weiter Teile des Naturschutzgebietes Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal
  • Massive Eingriffe in private und gewerbliche Grundstücke
  • 6 Meter hohe Lärmschutzwände, so dass die S4 durch einen riesigen Tunnel mit Tageslicht quer durch Hamburg fährt – eine kilometerlange Mauer teilt die Stadt im Osten – Erinnerungen kommen auf.
  • Erhöhter Güterverkehr: Das Bundesverkehrsministerium erwartet mindestens 120 Güterzüge pro Tag auf der Strecke, Tag und Nacht. 17% davon sind Gefahrguttransporte. Im Vergleich: Aktuell fahren 36 Güterzüge durch Rahlstedt pro Tag.
  • Baustraßen werden den Hamburger Osten mindestens 7 Jahre in eine große Baustelle verwandeln. Betroffen sind u.a. viele Schüler, die mit dem Fahrrad zu den Schulen in Oldenfelde fahren. Sie müssen voraussichtlich über die vierspurige Straße am Höltigbaum ausweichen, um über die Gleise zu kommen …
  • Geschätzte 20.000 Bäume müssen entlang der Strecke ab Bad Oldesloe gefällt werden.
  • Probebohrungen des Kampfmittelräumdienstes sind erforderlich, denn entlang der Gleise liegen tief in der Erde verborgen noch zahlreiche Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg.

Wahrscheinlich haben nach diesen Argumenten schon viele Menschen ein ungutes Bauchgefühl … und dann noch:

Atommüll und Todeszone?
Die Bürgerinitiative fürchtet den Transport von Atommüll und einen unerträglichen Lärm – insbesondere in der Bauphase, der in die Wohngebiete ca. 4-6 Kilometer hineingetragen wird und krank machen kann. Sie sprechen zudem von einer Todeszone innerhalb der sechs Meter hohen Lärmschutzwände, in die im Notfall keiner rein und keiner raus kommt. Ist das reine Stimmungsmache?

Die Kernaussagen

  • Ja zur S4!
  • Ja zum Güterverkehr und Gefahrguttransport auf der Schiene!
  • Nein zu 120 Güterzügen quer durch die Stadt bei Tag und Nacht!
  • Nein zu 6m hohen Mauern in Rahlstedt – und im Hamburger Osten!
  • Nein zu krebserregenden Magnetfeldern bei <45m Abstand Oberleitung
  • Ja zum Güterverkehr parallel zur Autobahn!

Die Lösung:

Dr. Martin Vieregg, renommierter Experte für Eisenbahnverkehr aus München, hat bereits 2018 eine alternative Streckenführung entlang der Autobahn A1 entwickelt und vorgestellt. Gemäß seiner Argumentationsschrift überwiegen die Vorteile deutlich – ein Auszug: „Das Ergebnis der Planung sind die folgenden Kernpunkte:

  1. Der Bau einer Neubaustrecke entlang der Autobahn A1 ist technisch gut umsetzbar.
  2. Der Neubau von Moorfleet bis Bad Oldesloe ist um 100 bis 200 Millionen Euro kostengünstiger als der bislang geplante Ausbau, obwohl er die Viergleisigkeit bis Bad Oldesloe und nicht nur bis Ahrensburg herstellt.
  3. Es werden keine Anwohner entlang der Autobahn zusätzlich belastet. In den wenigen Bereichen, wo die neue Bahntrasse nahe von Wohnhäusern verläuft, wird sie im Tunnel im heute schon bestehenden Lärmschutzdamm geführt.
  4. Die Bahntrasse kann auch im Bereich der Anschlussstellen eng mit der Autobahn gebündelt werden. Es wurden entsprechende bauliche Vorschläge ausgearbeitet.
  5. Die Neubaustrecke bis Bad Oldesloe ermöglicht eine Fahrzeit Hamburg-Lübeck von 30 Minuten, die vollständige Neubaustrecke bis Lübeck von 25 Minuten. Damit werden in Hamburg die Anschlüsse erreicht und es können auch ICE-Züge durchgebunden werden.
  6. Langfristig ist noch ein zweigleisiger Ausbau von Bad Oldesloe über Bad Segeberg nach Neumünster für 200 bis 230 km/h vorstellbar, der die Fahrzeit von Hamburg nach Neumünster auf 30 und nach Kiel auf 50 Minuten verkürzt.
  7. Nur die Neubaustrecke verspricht im Fernverkehr einen Nutzen. Im Unterschied zur bisherigen Planung wird deshalb der Bund einen nennenswerten Anteil der Strecke eigenständig über den BVWP (Bundesverkehrswegeplan) finanzieren. Zusammen mit den insgesamt geringeren Kosten sinkt am Ende der gemeinsame Finanzierungsbeitrag der zwei Länder auf voraussichtlich unter 200 Millionen Euro.“

    Nachzulesen auf www.vr-transport.de

Die S4 könnte demzufolge exklusiv auf den bestehenden Gleisen fahren, so dass die Baumaßnahmen zum Beispiel nicht in Wohngebieten stattfinden würden, sondern nur entlang der Autobahn. Die Lebensqualität in Rahlstedt wie im gesamten Planbereich bliebe erhalten. Warum sich die Hamburger Politik NICHT für die Alternativstrecke an der A1 einsetzt, ist ein Rätsel. Das ist der Grund, warum sich jetzt Widerstand formiert hat: Die Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck e.V. bereitet eine Klage vor.

Mehr Informationen und wie es weitergeht können Sie auf den Webseiten zweier Bürgerinitiativen verfolgen:
http://www.buergerinitiative-bahnstrecke-hh-hl.de/
https://laermschutz-wandsbek.de/