Den Kopf frei bekommen

Dieses Jahr stand ein langgehegter Wunsch ganz oben auf meiner To-do-Liste: Schottland.

Wandern und Loch Ness besuchen.
Gesagt. Getan.
Ich kann es nur damit beschreiben, dass es bewusstseinsverändernd war.
Ich habe viel gelesen und natürlich Bilder gesehen. Auf der Insel war ich auch schon, aber abseits vom Trubel eben noch nie.

In Edinburgh bin ich gelandet, dann nach Inverness mit dem Zug. Von dort war der erste Tagesmarsch geplant.

Um 7 Uhr ging es los. Durch den Ort Inverness entlang eines Kanals, der direkt in den Loch Ness führte.
Nur mal so erwähnt: Der Bus brauchte von Inverness zum Loch Ness nur 20 Minuten.

Ich habe über 5 Stunden zu Fuß gebraucht.

Also, die erste Stunde ging es nur bergauf. Das war irgendwie nicht das, was ich erwartet habe. Ich meine, ich kann keine Höhenangaben wirklich gut einschätzen. Ist ein Frauending vermute ich.

Also, schwitzend und schnaufend den ollen Berg hoch. Schottland ist sehr bergig, nicht alle Berge sind sehr hoch, aber mit Gepäck und anderer Erwartung eben doch ein klein wenig anstrengend.

Es regnete immer so eben weg, der schottische Sommer eben.

Zum Glück war der Weg gut ausgeschildert und die Schuhe haben dem Regen standgehalten.

Ich habe keinen Redbull mehr getrunken, nachdem die drei vor der Null stand. Aber an dem Tag hatte ich einen dabei. Leicht zögerlich, weil Angst vor Herzattacken, trank ich diesen. Wohl gemerkt nach der ersten Stunde schon.

Der Ausblick beim Trinken war atemberaubend. Alles war grün und roch nach frischem Regen.

Es ging durch ein ausgedehntes Waldstück. Mein Regencape ruschelte lustig vor sich hin und bei diesem sonoren Geräusch versank ich in meinen Gedanken.

Mein Rucksack schnürte mir die linke Schulter ab. Das tat weh, sogar sehr. Egal. Weiter.

Dann habe ich meine Ader für Farne und Moos entdeckt. Viele Fotos später, waren immer noch genügend Farne und Moose da.

Der Rucksack tat immer noch weh. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie ich ihn noch aufsetzen sollte?!

Das war aber nicht das größte Problem. Das war der Drang in die Büsche zu müssen und nicht zu wissen, wie viele Wanderer noch den Weg gingen. Schließlich habe ich ein Zelt im Wald gesehen und keine Ahnung gehabt, ob da jemand drin war, oder der eben auch in den Büschen hockte. Also nach ca. einer Stunde aushalten, ging es nicht mehr. Es regnete noch. Alles war nass, dann war das Hinhocken in die nassen Büsche auch kein Thema mehr. Erledigt.

Ich war ein wenig stolz auf mich, dass ich weder hingefallen bin, noch das ich mehr nass gemacht hätte, als es eh schon war. Aber es ist kein schönes Gefühl, die nasse Hose über die nassen Beine zu ziehen und zu wissen, dass man vor abends auf gar keinen Fall mehr trocken wird.

Der Rucksack war kein Thema mehr, als ich merkte, dass mein Knie Zicken machte.

Ich wollt es ignorieren, aber es ging nicht. Da wusste ich noch nicht, dass die letzte Stunde des Marsches nur bergab ging und zwar bei 35% Gefälle.

Die Schmerzen beim Wandern begleiteten mich also stetig. Der Regen war mir mittlerweile egal geworden. Hunger und Durst waren auf einmal nicht mehr wichtig.

Gehen war wichtig. Ankommen. Nicht umknicken.

Mit dem Schmerz ging ich also einige Stunden. Bis ich zu einer Lichtung kam. Aus dem Augenwinkel sah ich ein Reh. Es stand so dicht, dass ich alle Details erkennen konnte. Es ging eine Weile mit mir. Was für ein Gefühl mit der Natur alleine zu sein.

Nur war ich nicht alleine. Zwei Meter hinter mir, ging das Pubertier, was in groben Abständen rumgrummelte. Zwei Meter vor mir der Mann mit Karte und Navi.

Was soll ich sagen. Kopf frei bekommen geht anders.

Schön war‘s trotzdem, ich würde es immer wieder machen. Vielleicht wirklich mal alleine.

Jenny Frank-Koppenhagen