Austausch und Verbindung. Der Familienrat.

In Kitas und Schulen wird Partizipation von Kindern immer bedeutsamer. Auch vielen Eltern ist es ein Anliegen, ihre Kinder in ihre Entscheidungen einzubinden. Das ist eine schöne Entwicklung, hin zu mehr Austausch und Verbindung zwischen Kindern und Erwachsenen. Zusätzlich wirkt es auf Kinder ermutigend, wenn sie spüren, dass ihre Ansichten ernst genommen werden. Eine gute Möglichkeit, Kindern in der Familie Mitsprache einzuräumen und den Austausch untereinander zu verbessern, bietet der Familienrat nach Rudolf Dreikurs, den ich heute Schritt für Schritt vorstellen möchte.

Der Familienrat läuft nach bestimmten Regeln ab und eignet sich für Kinder ab dem Vorschulalter, aber auch kleinere Geschwister werden natürlich eingebunden. Nach oben gibt es keine Altersgrenze.

Die Treffen sollten regelmäßig und zu einer festen Zeit stattfinden: z.B. sonntags nach dem Frühstück. Die Themen werden vorab in einem Buch oder einer hübschen Schachtel gesammelt. Neben „Mecker-Themen“ sollten auch schöne Dinge vorkommen, die zusammen geplant werden, wie die Gestaltung der Adventszeit. Kleinere Kinder können ihre Vorschläge malen.

Die 1. Sitzung

Zu Beginn werden Rollen verteilt: Wer übernimmt heute die Leitung, das Vorlesen und Aufschreiben der Vereinbarungen? Wer achtet auf Zeit und Gesprächsregeln? Kleinere Kinder werden von den Eltern unterstützt.

Zunächst überlegen wir, wie wir miteinander umgehen wollen im Familienrat z.B.: Wir bleiben sitzen. Jede*r wird gehört. Wir lassen uns ausreden. Wir gehen achtsam miteinander um. Niemand wird beschämt oder beschuldigt.

Wir überlegen, wie wir uns an die Regeln erinnern können, z.B. indem wir gemeinsam Kärtchen schreiben oder malen. Es könnte auch besprochen werden, wo die Themen gesammelt werden, wann der beste Zeitpunkt für den Rat ist und in welchen Abständen und wie lange er stattfinden soll. Oft reichen diese Punkte für den 1. Termin aus und alle bekommen einen Eindruck, was ein Familienrat ist.

Die 2. Sitzung

Wir verteilen die Rollen und starten mit dem Wiederholen der Rat-Regeln, bis sie verinnerlicht sind.

Dann werden alle Themen vorgelesen. Es können Rückfragen an die Person gestellt werden, die das Thema eingebracht hat.

Es wird festgelegt, welche Punkte besprochen werden sollen. Vielleicht haben sich einige im Laufe der Woche schon erledigt.

Die Themen werden nacheinander besprochen. Alle dürfen ihre Meinung äußern und Lösungsvorschläge einbringen. Sollte keine Einigung entstehen, wird abgestimmt.

Wir halten fest, worauf wir uns einigen. Die Verabredungen gelten bis zum nächsten Rat.

Dann wird das nächste Thema besprochen. Manchmal reicht die Zeit nicht für alle Punkte. Sie werden dann bis zum nächsten Termin vertagt.

Am Ende des Rats bedankt sich der*die Leiter*in für die Teilnahme (Wertschätzung).

Die weiteren Treffen

starten mit den Verabredungen der letzten Woche. Wie hat die Umsetzung funktioniert? Lief es gut, kann die Vereinbarung so bleiben. Konnte es jemand nicht umsetzen, kann gefragt werden: Was hat dich daran gehindert? Was brauchst du, damit es für dich machbar wird (Erinnerung, anderer Zeitpunkt, anders Vorgehen)? Das kann neu vereinbart und ausprobiert werden.

Wie gehen wir mit emotionalen/schwierigen Themen um?

Hier gilt es, besonders darauf achten, dass niemand beschämt oder beschuldigt wird. Die Schritte der Gewaltfreien Kommunikation helfen dabei:

  • Sachlich und genau beschreiben, worum es geht: Gestern seid ihr gleich vom Tisch aufgestanden, als ihr mit dem Frühstück fertig wart.
  • Gefühl benennen. Was macht das mit mir? Wenn ihr einfach geht und wir noch nicht fertig sind, macht mich das traurig und ärgerlich…
  • Bedürfnis benennen (begründen): weil ich mir mehr Zeit mit euch wünsche.
  • Konkrete Bitte/Wunsch äußern: Könntet ihr in Zukunft sitzen bleiben, bis alle fertig sind?

Lautet die Antwort „Nein“, bitte nicht persönlich nehmen. Dahinter steht ein Bedürfnis, das auch Berechtigung hat. Evtl. Wir haben oft so wenig Zeit zum Spielen, wir wollen dann direkt loslegen.

Fragen, was hinter dem „Nein“ steht: Könnt ihr mir erklären, warum ihr nicht sitzen bleiben mögt? Was braucht ihr, um meiner Bitte nachzukommen? (etwas zum Lesen oder Malen am Tisch?) Werden alle Bedürfnisse gesehen, können Kompromisse gefunden werden: Ihr dürft direkt aufstehen. Um 15 Uhr treffen wir uns wieder und verbringen Zeit zusammen.

Fallstricke

Eltern sollten den Familienrat nicht als Vorwand nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Nur wenn die Stimmen der Kinder gleichwertig zählen und sie sich respektiert fühlen, werden sie sich gerne beteiligen.

Einige Eltern scheuen sich den Rat einzuführen, weil sie befürchten, dass Kinder unangenehme Themen einbringen, über die sie nicht gerne diskutieren, wie die leidige Medienzeit. Doch die Themen werden auch im Alltag aufkommen. Vielleicht in einem Moment, in dem wir keine Nerven für die Auseinandersetzung haben. Dann können wir es notieren, uns Argumente überlegen und im Rat sachlich darüber sprechen. Oft ist das sehr hilfreich.

Kreative/spielerische Ergänzungen

können regelmäßig Teil des Rats sein oder genutzt werden, wenn es nur wenig zu besprechen gibt.

  • Feiern und Bedauern Alle sagen etwas zu den Fragen: Was feiere ich diese Woche? Was hat gut geklappt? Was ist Gutes passiert? Worüber habe ich mich gefreut? Was bedauere ich? Was ist mir nicht so gut gelungen? Wofür hätte ich mir mehr Zeit gewünscht?
  • Eine Gefühlsuhr basteln, deren Zeiger zu Beginn eingestellt werden. Jede*r sagt kurz, warum er*sie gerade zufrieden, gestresst, aufgeregt, traurig ist.
  • Ermutigung: Alle sagen oder schreiben je drei Dinge, die sie an den anderen gut finden.
  • Es kann auch ein Spiel gespielt, ein gemeinsames Bild gemalt oder eine Geschichte gelesen werden.

Alles, was Spaß macht und verbindet, ist erlaubt. Und sollten die ersten Treffen noch etwas holprig verlaufen, nur Mut! Solange es uns um Verbindung geht und wir echtes Interesse an unseren Lieben haben, können wir nichts falsch machen.

Jessica Rother