Mental Health – vom Overload zu mehr Harmonie im Alltag

Mental Load – oder auch Mentale Überlastung – ein Begriff, der dem ein oder
anderen vielleicht schon bekannt vorkommt und mittlerweile nun in aller
Munde ist: Es beschreibt den Zustand, neben sichtbaren To Dos im Alltag auch
die unsichtbare Kette an dahinterstehenden Aufgaben zu erledigen, die
notwendig sind und an die gedacht werden muss, bevor das eigentliche To Do
abgehakt werden kann.
Mental load = die Verantwortlichkeit für den Gesamtprozess des To Dos
von der Hintergrundkoordination bis hin zur Durchführung und Abschließung
des eigentlichen To Dos.
Häufig gehören hierzu die Aufgaben, für die keine offensichtliche
Wertschätzung eingeheimst wird, da sie im Hintergrund „einfach“ mit dazu
gehören und somit automatisch zu erledigen sind. Sie werden nicht explizit
benannt, gleichzeitig jedoch automatisiert erkannt, geplant und dann erledigt.
Dieser Load bringt ein immenses Eigengewicht in die Summe aller anderen
(sichtbaren) Aufgaben und hat natürlich eine beträchtliche Auswirkung immer
und unmittelbar auf die Partnerschaft. Vielleicht sich einer der beiden Teile
häufig deshalb angespannt, erschöpft oder überfordert, wie erschlagen von den
unsichtbaren To Dos, die ganz von selbstverständlich im Hintergrund ablaufen.
Hier zwei Beispiele für Mental Load im Alltag (mit Kind / ohne Kind)
Mit Kind
Dein Kind ist auf einem Kindergeburtstag eingeladen. Der Mental load hier
bezieht sich nicht auf das Event „Kindergeburtstag“ an sich, sondern auf alle
Planungs- und Koordinierungsprozesse, die vor, während und nach dem Event
„Kindergeburtstag“ zu beachten sind.
Möglicher Mental Load:
• Wo wohnt das Geburtstagskind?
Wie kommt Mein Kind zum Geburtstag / wieder zurück?
• Was wünscht sich das Geburtstagskind?
• Wenn das Kind keine Wünsche haben sollte, war mein Kind dort bereits
vorher? Was mag das Geburtstagskind? Was erinnere ich aus Gesprächen
mit den Eltern? Was könnte man schenken?
• Woher bekommen wir das Geschenk?
• Wann ist ein Zeitfenster frei, um das Geschenk zu organisieren?
• Wer holt das Geschenk?
• Wer verpackt das Geschenk?
• Haben wir noch Geschenkverpackungen?
• U.a.
Ohne Kind – in der Partnerschaft
Du bist für den Haushalt in eurer Partnerschaft verantwortlich, wie z.B. für das
Wäsche waschen. Neben der Aufgabe „Wäsche waschen“ gehören aber noch
andere, nicht sichtbare Dinge hinzu, damit die Wäsche am Ende wieder sauber
und geordnet im Schrank landet.
Möglicher Mental Load:
• Wasche ich alleine die Wäsche oder übernimmt mein*e Partner*in einen
Teil der Wäsche? Wenn ja, wie teilen wir das auf?
• Wann habe ich generell ein Zeitfenster, um Wäsche zu waschen? Wie
lange sollte ich dafür jeweils einplanen?
• Wann möchte ich Kleidungsstück xy wieder tragen / welche Reihenfolge
des Waschens ist wichtig?
• Wie viel Wäsche gibt es? Muss ich diese Einteilen? Gibt es noch
zusätzliche Dinge wie Handtücher / Bettwäsche zu waschen ?
• Haben wir genug Waschmittel? Brauchen wir noch etwas anderes? Wenn
ja, wer kauft wann ein?
• Müssen aus dieser Wäsche Dinge in den Trockner gelegt werden? Wenn
ja, bin ich in dieser Zeit Zuhause, während der Trockner im Hintergrund
läuft? Wenn nein, ist mein Partner ggf. vor Ort?
• Wann ist ein freies Zeitfenster, um die fertige Wäsche aufzuhängen / zu
sortieren?
• Müssen Dinge gebügelt werden? Wenn ja, wann? Wie viel Zeit brauche
ich dafür?
• U.a.
Damit diese Partnerschaft nun wieder mehr entlastet werden kann, muss
Unsichtbares sichtbar auf den Tisch gepackt werden. Natürlich lassen sich nicht
immer die Verantwortung für den Gesamtprozess (Mental Load) und Aufgaben
(das Abarbeiten der To Dos) klar trennen.
Schritt 1: Sichtbar machen
Setzt euch zusammen und tauscht auf. Zunächst sammelt jeder seine eigene
Einschätzung, wie viel der Dinge er (prozentual) im Alltag übernimmt.
Im nächsten Schritt teilt ihr mögliche Aufgabenbereiche auf und erstellt für
jeden eine möglichst detaillierte Liste aller typischen Aufgaben, die erledigt
werden müssen.
Bereich Haushalt: Klo putzen, Fenster putzen, Wäsche waschen, Dusche /
Wanne säubern, staubsaugen) usw.
Bereich Sonstiges: TÜV, Versicherungen, Arzttermine, Planbare To Dos wie
Urlaubsplanung u.a.
Schritt 2: Messbar machen
jetzt ergänzt ihr:
• Wer denkt dran?
• Wer setzt es um?
• Wie oft muss es gemacht werden?
• Wie lange dauert es in der Regel?
Wie viel Zeit geht dabei für jeden drauf?
Oft gibt es einen großen Unterschied zwischen gefühlter Aufgabenverteilung
und tatsächlicher. Ist die Aufteilung so okay? Ja? Prima, dann seid ihr soweit
durch. Falls nicht, geht es mit dem nächsten Schritt weiter.
Schritt 3: Verantwortung einteilen
Es braucht regelmäßige Zeiten, um kurz auszutauschen, was ansteht und wer
welchen Prozess – im Gesamten – übernimmt. Verteilt die Aufgaben entweder
einmalig oder immer wieder neu und anders – euch sind keine Grenzen gesetzt.
Wichtig hierbei: Ein*e Partner*in übernimmt nicht nur einen Teil der Aufgabe
(z.B. Waschmaschine anstellen), sondern den ganzen Prozess (siehe Fragen
weiter oben).
Natürlich könnt ihr euch gegenseitig unterstützen und alles auf euren Alltag
abstimmen. Aber ihr sollt euch abgewöhnen, dass ein Teil den Allround
Bewirtungsservice bekommt.
Der, der die Einkaufsliste plant, steht mindestens selbst auf und schaut in
Schränke. Wenn einer mit den Kindern zum Schwimmunterricht geht, dann
packt der selbst die Tasche, dann schaut er/sie selbst nach, wie die
Öffnungszeiten des Schwimmbads sind etc.
Wenn der/die Partner*in keine Lust hat
Manche Partner möchten aus unterschiedlichen Beweggründen nicht an einer
Optimierung des Alltages arbeiten. Unter anderem dann, wenn ein Teil in
Vollzeit arbeitet und der/ die andere unbezahlt zuhause.
Dann ist es wichtig, einmal die Bestandsaufnahme zu machen: Wie viel Zeit geht
dabei wöchentlich drauf? Wie viele Std. pro Tag? Wie viele Überstunden pro
Woche kommen zusammen? Was ist das Ganze wert?
Veränderungen sind möglich – immer und zu jeder Zeit. Und jedes noch so
eingegroovte Muster lässt sich mit ein wenig Durchhaltevermögen und
Commitment auch mit Leichtigkeit umsetzen und das Schönste daran: Es gibt
mehr Raum für Harmonie und weniger Platz für spannungsgeladene
unausgetragene Konflikte.

Kim Gatermann