Deine Wut macht mich rasend – Umgang mit kindlichen Wutanfällen

Es gibt Situationen, die bringen Eltern in Rage.
Die Mutter möchte den Spielplatz verlassen und ihr Liebling wirft sich auf den Boden und schreit so laut, dass sich alle Augen auf sie richten. Sie fühlt sich bloßgestellt und beobachtet.

So könnte es weiter gehen: Mama beugt sich hinunter, redet ruhig auf das Kind ein und erklärt, warum sie los müssen. Das Kind wütet weiter. Mama wird angespannter und versucht das Kind zum Aufstehen zu bewegen. Der kleine Liebling strampelt und schlägt um sich. Nun wird Mama lauter und verbietet den Nachtisch am Abend. Das Kind fühlt sich ungerecht behandelt und schreit. Am Ende klemmt Mama das strampelnde Bündel unter den Arm und trägt es zum Ausgang. Für sie ist der Rest des Tages gelaufen und sie fragt sich, was da eigentlich passiert ist.

Wann werden Eltern wütend?
Wut kann verschiedene Auslöser haben. Hilflosigkeit zum Beispiel. Wenn Eltern nicht wissen, wie sie ihr Kind beruhigen oder ihm helfen können, wie sie die Situation lösen sollen. Das Gefühl, nicht ausreichend wert geschätzt zu werden, kann negative Emotionen anfeuern. Ebenso der Eindruck, dass nichts was sie sagen, bei den Kindern ankommt und sie immer um die gleichen Themen streiten.
Andere Auslöser können mit uns selbst zu tun haben. Wir sind weniger belastbar wenn wir müde oder hungrig sind, wenn wir einem Ruhebedürfnis nicht nachgehen können und zu wenig auf uns achten.

Wann werden Kinder wütend?
Kinder werden wütend, wenn sie durch zu hohe Anforderungen oder zu viele Reize überfordert sind. Wenn sie sich machtlos, entmutigt oder ungerecht behandelt fühlen, oder wenn Eltern ihren Bedürfnissen zu selten Raum geben, beginnen sie zu kämpfen. Genauso wie bei Erwachsenen, ist auch die Zündschnur von Kindern kürzer, wenn sie hungrig oder müde sind. Für Kinder ist es anstrengend, sich den ganzen Tag anzupassen und Regeln zu folgen in Kita oder Schule. Zuweilen müssen sie sich bei ihren Eltern Luft machen. Es ist ein Zeichen dafür, dass sie sich bei ihnen sicher fühlen. Hier dürfen sie auch einmal „ausrasten“ und werden aufgefangen.

Was hilft Eltern?
Erleben wir einen Wutanfall unseres Kindes, sollten wir möglichst ruhig bleiben und es nicht persönlich nehmen. Wir bleiben beim Kind, warten ab ohne weiter über das Thema zu diskutieren. Stattdessen benutzen wir kurze Sätze: „ich bin bei dir“, „ich verstehe dich“, „Treten ist nicht ok, du darfst aber stampfen“. Fühlen wir uns sehr provoziert und befürchten laut oder ungerecht zu werden, ist es hilfreich, sich erst einmal selbst zu beruhigen. Abstand zum Kind und zur Situation ist förderlich. Dafür kann man den Raum verlassen, tief in den Bauch atmen, langsam bis 10 zählen, ein Lied singen, sich Musik anmachen oder tanzen. Es ist schwierig, wütend zu bleiben, wenn man singt und tanzt. Vielleicht macht das Kind sogar mit? Das löst die angespannte Situation auf.


Ebenso ist es hilfreich zu verstehen, was hinter dem Ausbruch stecken könnte. Manchmal sind es Gefühle, wie Verzweiflung, Traurigkeit, Angst, Verletzung, Überforderung, Müdigkeit, Hunger. Mit diesen Emotionen können Eltern oft besser umgehen.

Was hilft Kindern?
Wut ist ein wichtiges Gefühl. Sie zeigt, dass unsere Grenze überschritten wurde. Sie hilft uns, uns zu behaupten und zu entlasten. Wenn Wut nicht erlaubt wird, kommt bei dem Kind an: du bist nicht ok,
weil du wütend bist. Die Wut verschwindet aber nicht einfach, sie wird nur unterdrückt. Das könnte schädliches autoaggressives Verhalten begünstigen. Wut sollte also erlaubt sein aber in einem Rahmen, der für Eltern in Ordnung ist. Wir können unseren Kindern helfen, einen anderen Umgang zu erlernen. Dazu können wir unsere Grenzen aufzeigen:

„Ich möchte von dir nicht getreten oder angebrüllt werden.“ und mit dem Kind besprechen, auf welche Weise es seine Wut ausleben darf: Stampfen, Schreien, ins Kissen Boxen, Wut aus dem Fenster werfen, Wutbälle drücken, Papier zerknüllen, eine Wutkiste mit Kastanien füllen, in die man Stampfen darf, einmal um den Block rennen. Eltern sollten möglichst bei dem Kind bleiben, es begleiten in seiner Wut, ohne dabei auf das Kind einzureden. Es ist ohnehin erst wieder für Verhandlungen aufnahmefähig, wenn der Zorn verflogen ist. Fragen wir die Kinder auch nach eigenen Ideen fördert es zusätzlich das Gefühl der Gleichwertigkeit.

Es ist sinnvoll zu überlegen, welches Vorbild wir bieten. Werden wir laut? Ungerecht? Setzen wir unsere Körperkraft ein? Kinder schauen sich unser Verhalten ab. Manchmal bringen uns gerade die Kinder besonders in Rage, die uns ähnlich sind. Wir können auch mit den Kindern gemeinsam lernen, anders mit unseren Gefühlen umzugehen. Dann boxen wir zusammen ins Kissen oder stampfen durchs Wohnzimmer.

Und danach?
Nach einem Wutanfall können Eltern und Kinder in Ruhe miteinander sprechen. Wir können uns entschuldigen. Ich kann dem Kind erklären, wie ich mich fühle, wenn es mich haut. Wir überlegen zusammen, was wir nächstes Mal anders machen könnten. Auch über die wutauslösende Situation kann jetzt gesprochen werden. Mama kann erklären, warum sie den Spielplatz verlassen mussten. Vielleicht trifft sie eine Abmachung mit dem Kind: „Nächstes Mal sage ich dir vorher, dass wir gleich gehen müssen. Dann darfst du dir noch 2 Dinge aussuchen, die du machen möchtest.“

Jessica Rother